Nino Maaskola: Mount Petrol. Paw Gallery 2023
von Sebastian Hammerschmidt
Mit seiner bildhauerischen Arbeit reflektiert Nino Maaskola die basalsten Bedingungen künstlerischer Produktion, eine Grundlagenforschung, mit der Fragen der Formbildung in ihrer Beziehung zu Aspekten der Prozess- und Materialhaftigkeit verhandelt werden. Zugleich wird hier die künstlerische Produktion als Produktion thematisch. Aufgerufen wird mit ihr der Aspekt „Arbeit“, als gesellschaftliches Phänomen in seiner Rückbindung an Produktionsverhältnisse und ökonomische Strukturen, „Arbeit“ aber auch als Phänomen, das sich mittlerweile in den Erdball selbst eingelagert hat und so erneut Fragen nach Materialität und Produktion evoziert.
Deutlich wird dies in der Werkserie „Abschied von der Erde“, aus der die Ausstellung zwei jüngere Arbeiten präsentiert. Hier erscheint das Skulpturale als nachgerade performativer Akt: Maaskolas Aufmerksamkeit gilt zuallererst dem Werkzeug, das dasjenige in der Schwebe hält, das sonst Material des Bildhauers ist – den gefundenen, unbehauenen Stein. Das Zupackende der Zange zeigt so ein doppeltes, zeigt den Stein als spezifisches, physisches Objekt, rückt ihn in seiner rohen Gefundenheit in die Aufmerksamkeit, und zeigt zugleich, wie dieser Stein in Gebrauch genommen wird, setzt dieses Machen mithin selbst in Szene. Weniger wird hier also ein Material als potentielles zum Gegenstand, das nur darauf warten würde zu etwas anderem, oder in klassischer Lesart: zu dem zu werden, was in ihm als Form immer schon verborgen ist. Vielmehr präsentiert sich dieses Machen in seiner ganzen abgründigen Realität.
Denn das, was hier vorgeführt wird, verweist zunächst auf etwas, das als Grund einer technologisch immer effizienter werdenden Welt gelten kann und das doch kaum je selbst in die Sichtbarkeit gelangt: ein systematisch betriebener, industriell organisierter Ressourcenabbau. Bagger, Zange, Pflug – das sind nur die basalsten Werkzeuge, mit denen sich eine instrumentelle Vernunft immer tiefer in den Planeten gräbt, wendet, prüft, was immer zu gebrauchen ist, so wie kritische Erze, seltene Erden nur die jüngsten Beispiele für die damit verbundenen Begehrlichkeiten sind. Die Skulptur zeitigt so ein ambivalentes Staunen über eine prometheische Wirksamkeit, die denkwürdige Konstellation, dass sich der Stein durch eine einfache mechanische Konstruktion selbst in der Schwebe zu halten vermag. Als Exempel solch technischer Machbarkeit ist ihr das eigene Material zugleich entzogen – und so auch dem Zugriff möglicher bildhauerischer Zudringlichkeit.
Die Serie wird so nicht nur zur Selbstreflexion über die Rolle des Künstlers als Produzenten, dem angesichts nahezu unbegrenzter technischer Machbarkeit als eine wesentliche Konsequenz die Demonstration des eigenen Rückzugs bleibt. Ebenso wird nicht allein die Aufmerksamkeit vom Vordergründig-Formgebenden auf die Reflexion struktureller Rahmenbedingungen von Produktion verschoben. Durch dieses Reflexive geht das Skulpturale auf Distanz zu der von ihr in Anspruch genommenen Funktionslogik, wendet diese auf ein Anderes hin, Nichtidentisches, das in ihr enthalten ist, ohne im Nüchtern-Berechnenden solcher Logik aufzugehen, sondern diese vielmehr öffnet, überschreitet.
Dieses als „nichtidentisch“ nur allzu provisorisch Bezeichnete zeigt sich nochmals anders, in geradezu verstörender Schönheit in den jüngsten „Mount Petrol“-Arbeiten. Makellos-irisierende Farbflächen, teils tachistisch-flimmernd und damit unzweifelhaft durch die Hand des Künstlers gegangen, oft aber von irritierender Ähnlichkeit zu Marmor, Quarz, Lapislazuli, kurz: zu dem, das sonst Ausgangspunkt einer sei es bildhauerischen, sei es kunsthandwerklichen Arbeit wäre. Durch ihr offensichtlich Gemachtes scheint so ein Paragone nahezuliegen, in dem der Künstler mit der Ästhetik derjenigen natürlichen Materialien in Wettstreit tritt, die er sonst bearbeiten würde, freilich gerade so, dass er sie zuallererst erzeugt.
Allerdings stellt sich die Frage, wie hier Materialität und Arbeit in ein Verhältnis gebracht sind, noch in weit dringlicherer Weise. Denn das, was als Arbeit in die Tafeln eingespeichert ist, ist nicht allein die Arbeit manuell-praktischer Handgriffe. Es ist auch die Arbeit einer stofflich-chemischen Reaktion, für die mit Epoxidharz gerade solch ein Material genutzt wird, das als Kunststoff wesentlich für eine ganze Reihe technischer, industrieller wie ingenieursmäßiger Anwendungen ist, das in unverarbeiteter Form aber ökologisch durchaus kritische Produkteigenschaften aufweist. Die Serie wird so zu einer Reflexion über die strukturellen Bedingungen eines Materialeinsatzes in der künstlerischen wie überhaupt jeder Produktion, die mit einer techne befasst ist, und dafür auf bestimmte Materialien, damit verbunden aber auf bestimmte Praktiken der Aneignung und Anwendung zurückgreift, für die Fragen der Ethik und ökologischen Verträglichkeit immer unabwendbarer werden.
Indem Maaskola das Epoxidharz indes gerade nicht in technischer Absicht, sondern als Gestaltungsmittel nutzt, öffnet sich über das Moment der Arbeit noch das des Spiels. Denn so sehr jene stofflich-thermische Reaktion zwar gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, ist sie dennoch nicht in eine vorher definierte Kette von Zwecken eingespannt. Vielmehr ist sie Teil einer Konstellation unterschiedlicher Materialien und Kräfte, einer Konstellation, in deren dynamisch-offenem Vollzug erst diese unterschiedlichen Materialien in eine letztgültige Form treten. Der Produktionsprozess lässt sich so als Analogie von Selbstorganisation und Strukturbildung lesen, wie sie als Erklärungsmodelle in der zeitgenössischen Physik relevant sind, so dass es nicht allein phänomenologisch eine Ähnlichkeit zwischen Materialien ist, die durch die Serie hergestellt wird, sondern eine Analogie zu Prinzipien ihrer Erzeugung.
Ebenso bestimmt das Moment des Spiels aber auch den Rezeptionsprozess. In der visuellen Plastizität der flirrenden Farbflächen, mit denen Nah- und Fernsicht beständig herausgefordert werden, lässt sich die Serie mit jenem freien, aber kontrollierten Spiel der Erkenntnisvermögen in Zusammenhang bringen, wie sie klassisch Kant als konstitutiv für das Geschmacksurteil angesetzt hatte. Damit sind Fragen nach Arbeit und Materialität der Serie freilich alles andere als getilgt. Indem „Mount Petrol“ die Fragen, Schichtungen, Aufbrüche des eigenen Werdens in der Schwebe hält, zeichnet die Serie vielmehr die Möglichkeit anderer Denkhorizonte. Unruhig bleiben.
Ein Text kreist um die Arbeiten von Nino Maaskola
von Thomas Schlereth
Die Skulpturen treten in Grundformen auf. Kubus, Zylinder, Fundstück. Und sie kommen von
grundsätzlichen Gesten her. Stellen, Lehnen, Hängen. Zusammenfügen, Auseinandernehmen.
Alles nah am Material. Pur und direkt.
In der Einfachheit steckt Aufwand. Metalle wachsen nicht an Bäumen. Findlinge machen sich
nicht von selbst auf den Weg. Massive Körper brechen nicht eben mal auf.
Die Schönheit lässt das Schwere vergessen. Sie liegt darin, der Eigenheit des Materials ganz
nahe sein zu können. Nicht seiner Zweckdienlichkeit, nicht seinem Nutzen. Dabei sehen die
Eigenheiten aus, als wären sie gemacht. Geordnetes Funkeln, zum einen aus den Gesetzen
der Kristallbildung, zum anderen aus dem Rahmen künstlerischer Entscheidungen. Zuerst das
Wunder, dass es dieses Material überhaupt gibt. Dann die Wendung, dass es nun in diese Form
gefunden hat.
Das Pure am Material bringt einen anderen Stundenschlag mit sich. Ich, Mensch, Betrachter*in
in diesem Augenblick, stehe vor einem Ding, das aus etwas besteht, was es vor mir gab und
auch nach mir noch geben wird. Die Formen dagegen kommen aus dem Jetzt, aus einem
selbstgebauten Ofen, dort hinter dem Erdhügel, ein einfaches Loch als Gussform.
Jede Skulptur trägt eine Fülle von Spuren. Zuerst solche der Herstellung. Die Metalle fließen,
bilden Tropfen oder mischen sich. Dann gibt es auch Spuren des nochmaligen Eingriffs. Massives
Metall kommt an seine Belastungsgrenzen und dann darüber hinaus. Wie genau es jeweils fließt
und bricht, zeigt sich erst beim Machen. Oder das Schwere schwebt ganz über dem Boden.
Abschied von der Erde heißt die Reihe dieser Arbeiten. Die geschmiedeten Zangen haben ihre
Kraft aus dem Eigengewicht der gehaltenen Körper. Bei allem Purismus bricht sich ein Hang zum
Unverhältnismäßigen Bahn. 40 Tonnen massiven Eisens als länglicher Block, diagonal punktiert
wie beim Brechen von Stein. Sprengstoff zerreißt den Guss in zwei Keile.
Das Wundern über die Gegebenheiten und das Wundern über die eigene Wirksamkeit. Hantierenkönnen
mit fremden Kräften. Das folgt einer Idee und der Weg dorthin lässt sich erarbeiten. Die
Skulptur entsteht jedoch gemeinsam mit dem Material. Dann ist nicht mehr so klar, wer hier mit
wem hantiert.